Der digitale Effekt von Covid19
Ein Beitrag von Nicolas Zahn
Das Coronavirus deckt nicht nur Versäumnisse in der Digitalisierung auf, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für den Einsatz neuer Technologien im öffentlichen Sektor und der Politik. Doch gerade weil es jetzt schnell gehen muss, müssen wir auch vorsichtig sein.
Es ist eben doch definitiv mehr als eine Grippe. War zu Beginn der Coronakrise noch weit verbreiteter Relativismus vorhanden, so haben nun fast alle Staatsoberhäupter den Ernst der Lage begriffen und entsprechende Massnahmenpakete verordnet. Neben den vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Massnahmen spielt dabei auch Technologie eine zentrale Rolle.
Im Bezug auf die digitale Transformation lassen sich bereits heute zwei Feststellungen machen.
Erstens werden durch die Krise Versäumnisse in der digitalen Transformation schamlos aufgedeckt: Von Firmen, die sich bisher gegen Home Office gewehrt haben und nun schnellstmöglich umstellen müssen, von Behörden, die sich mit schlecht skalierbaren Prozessen und analoger Datenverarbeitung herumschlagen müssen bis zu politischen Gremien, die nicht mehr tagen können, weil sie auf physische Präsenz angewiesen sind. Der Leidensdruck, bisher teilweise als Argument für den Status Quo und gegen grossangelegte Digitalisierungsoffensiven angeführt, fehlt nun nicht mehr, sondern ist im Übermass vorhanden. Was gestern noch Spielerei oder Luxus schien, wird nun dringend benötigt. Dabei zeigt sich insbesondere die grundlegende Rolle digitaler Infrastruktur von belastbaren Kommunikationsnetzen bis zu klaren Standards für den Datenaustausch zwischen Behörden und der Bevölkerung, wie wir dies auch in unserer Grundsatzposition fordern.
Zweitens verstärkt sich ein Trend, der bereits vor der Krise sichtbar war: der Glaube, dass technologische Lösungen für sich genommen politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme zum verschwinden bringen werden. Eine Story nach der anderen erzählt uns von Drohnen mit Temperatursensoren, von künstlicher Intelligenz, welche infizierte Personen frühzeitig erkennen können soll und mit erstaunlicher Faszination wird die angebliche Effizienz hochtechnologisierter Überwachungsapparate in autoritären Staaten betrachtet. Die bereits sehr hohen Hoffnungen, welche in neue Technologien gesteckt wurden, erhöhen sich nun nochmals. Doch gerade hier ist extreme Vorsicht geboten.
Die Krise als Digitalisierungsmotor? Sehr gerne. Digitalisierung um jeden Preis und möglichst schnelle Einführung neuer Technologie ohne jegliche Debatte? Nein, danke.
Gerade weil wir nun öfters über technologische Anwendungen in extrem heiklen Bereichen sprechen, ist es essentiell, dass saubere und klare Konzepte für den Einsatz digitaler Technologien vorliegen. Sonst vergibt man sich nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung sondern zementiert eventuell auch Strukturen und Machtverhältnisse, die sich später nur schwer umkehren lassen. So dürfte z.B. die faktische Monopolstellung grosser Tech-Konzerne durch die Krise noch weiter gestärkt werden, da es nun besonders einfach ist für gut kapitalisierte Firmen, Start-Ups und kleinere Rivalen aufzukaufen.
Dabei ist klar, dass digitale Technologien uns als Gesellschaft in der Krise durchaus auch weiterbringen können. Gerade die Zivilgesellschaft hat sich digitale Tools schnell zu Nutze gemacht um Lösungen für konkrete Probleme anzubieten, von der Nachbarschaftshilfe über kollaborative Forschungsprojekte wie Folding@Home bis zum schweizweiten Corona Hackathon an welchem auch Liberos und Liberas mitwirkten.
Somit zeigt sich:
- wir sind noch lange nicht da, wo wir sein könnten und sollten
- neue Technologien können uns vor, während und nach Krisen helfen;
- dafür müssen wir einen klaren Kopf bewahren und nichts überstürzen, sondern klare Pläne entwerfen und diese dann mit geballter Kraft umsetzen.
- die Schweiz wird nach Corona digitaler sein als zuvor.
Nicolas Zahn ist Mitgründer von Operation Libero sowie Co-Leiter der Arbeitsgruppe Digitalisierung.