Dublin liberalisieren: Lasst die Flüchtlinge entscheiden!
Für eine liberale Flüchtlingspolitik
Das Dublin-System benötigt eine grundlegende Reform. Endlich gibt es dazu auch vernünftige Vorschläge aus der Schweiz.
von Janos Ammann und Clemens Tuor
Geflüchtete sind Menschen; sie sind Individuen mit einem eigenen Willen, eigenen Bedürfnissen, eigenen Geschichten. Und sie sollen darum auch selbst entscheiden können, in welchem Land sie das Asylverfahren durchlaufen.
So könnte ein liberaler Ansatz für die Flüchtlingspolitik in etwa lauten.
Nur hörte man ihn bisher nirgends. „Dublin reformieren“, fordern alle. Und reden stattdessen lediglich darüber, wie die exakte Formel ausschauen soll, welche eine anonyme Masse über Europa verteilt. Umso erfrischender sind darum die neuen Vorschläge des aussenpolitischen Think-Tanks «foraus - Forum Aussenpolitik», um das Dublin-Abkommen auf Vordermann zu bringen: Die Geflüchteten sollen weiterhin in den europäischen Länder registriert werden, in denen sie als erstes ankommen; danach aber sollten Geflüchteten selbst entscheiden können, in welchem Land sie das Asylverfahren durchlaufen. Diese Zielländer sollen durch einen Finanzausgleich unterstützt werden.
Neue, liberale Ansätze sind in der europäischen Flüchtlingspolitik dringend nötig: Die Fluchtbewegungen in den letzten Jahren haben die Untauglichkeit des Dublin-Abkommens offengelegt und an verschiedenen Orten zu humanitären Ausnahmezuständen geführt, so auch in Como an der Schweizer Grenze. Die Ursachen sind struktureller Natur. Viele Flüchtlinge kommen in Ländern wie Italien oder Griechenland an, wollen aber eigentlich weiterziehen. Doch statt dass man sie lässt, müssen sie gemäss dem Dublin-Abkommen in diesen Länder registriert und durch ein Asylverfahren geführt werden. Die Folge? Geflüchtete sitzen in Ländern, in welchen sie nicht sein wollen. Und die Länder haben enorme Kosten, welche sie nicht alleine tragen können.
Das macht keinen Sinn. Und vor allem setzt ein solches System Fehlanreize: Staaten haben ein Interesse, Ankommende nicht zu registrieren und sie an ihre Nachbarstaaten abzuschieben. Asylsuchende hingegen versuchen sich der Registrierung zu entziehen, bis sie in jenem Land angekommen sind, in welches sie wollen.
Darum müssen wir die Registrierung vom Asylverfahren trennen: Die Ersteintrittsländer sollen die Geflüchteten weiterhin registrieren und danach entscheiden die Geflüchteten, in welchem Land sie das Asylverfahren durchlaufen wollen. Diese Entscheidungsfreiheit hat viele Vorteile: Geflüchtete werden jene Länder aussuchen, wo sie Familie haben, Berufsperspektiven sehen, vielleicht die gleiche Sprache sprechen – und verhindern somit viele Kosten.
Wenn wir die Flüchtlinge frei wählen lassen, verhindern wir unkontrollierte Weiterreisen, unregistrierte Menschen und gestrandete Flüchtlinge wie momentan in Como. Der Umgang mit Flüchtlingen ist eine europäische Herausforderung und kann nicht im Alleingang gelöst werden. Es braucht ein europäisches Asylsystem, das alle Länder gleichermassen in die Pflicht nimmt, Anreize richtig setzt und Flüchtlingen Freiheit gibt. Es braucht eine liberale Lösung. Die Vorschläge von foraus sind hierfür ein guter Anfang.