Für ein modernes Sexualstrafrecht

Sexualstrafrecht aufgeklärt: Wir haben in der Gerüchteküche aufgeräumt

Sex-Vertrag und Beweislastumkehr? Nein.

Um die Vergewaltigung und das Zustimmungsprinzip («Nur Ja heisst Ja»-Lösung) ranken sich noch viele Mythen und Gerüchte. Um Aufklärungsarbeit zu leisten und euch die Angst zu nehmen, findet ihr hier unsere Top 6 Mythen.

Nein.

Es ist mehr als verständlich, dass du keine Lust hat, vor dem Sex noch etwas zu unterschreiben. Das Zustimmungsprinzip verlangt auf keinen Fall einen solchen “Sex-Vertrag”, ohne den man Gefahr läuft, als Vergewaltiger*in qualifiziert zu werden. Vielmehr geht es darum, die Zustimmung zum Sex mündlich oder mit dem Verhalten zu äussern, sogenanntes konkludentes Verhalten. Aus der Körpersprache kann bereits zuverlässig festgestellt werden, ob die sexuelle Handlung einvernehmlich ist oder nicht. 

Eine grosse Rolle spielt die FRIES-Regel, welche besagt, dass die Zustimmung “Freely given, Reversible, Informed, Entusiastic and Specific” erfolgen soll. Mehr erfahrt ihr ein einem späteren Blog-Beitrag.

Nein.

Die Zustimmung ist nicht in Stein gemeisselt. Es kann sein, dass du im einen Moment Lust auf sexuelle Handlungen hat – diese aber verfliegt. Oder dass dein Gegenüber merkt, dass küssen ganz okay ist, Petting aber zu weit gehen würde. In dem Moment, indem keine Zustimmung (mehr) vorliegt und sich dennoch darüber hinweggesetzt wird, ist es eine Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts.

Nein.

Es werden keinesfalls höhere Ansprüche an die Beschuldigten gestellt oder gar von ihnen verlangt, zu beweisen, dass die beidseitige Zustimmung im Moment der sexuellen Handlung gegeben wurde. Das Zustimmungsprinzip hat vielmehr zur Folge, dass weniger hohe Ansprüche an die Opfer gestellt werden, besonders was den geleisteten Widerstand betrifft. Nach der momentanen Regelung obliegt es den Ankläger*innen, zu beweisen, dass sich das Opfer gegen eine sexuelle Handlung gewehrt hat. Das Zustimmungsprinzip hat zum Ziel, den Beweis des Widerstandes durch den Beweis der fehlenden Zustimmung zu ersetzen. Die Beschuldigten gelten nach wie vor bis zu einem solchen Beweis als unschuldig.

Nein.

Wer der Meinung ist, dass Männer nicht vergewaltigt werden können, weil der Penis nur erigiert ist, wenn auch Lust vorhanden ist, verkennt die komplexen physiologischen Vorgänge, welche zu einer Erektion führen. Zudem kann auch die Penetration anderer Geschlechtsöffnungen zu einem massiven Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung führen. Und gerade diese sollte im Zentrum stehen – nicht etwa das Geschlecht des Opfers. Heute werden solche Handlungen “nur” im Auffangtatbestand der sexuellen Nötigung erfasst, was dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nicht-Diskriminierung nicht gerecht wird.

Nein.

Der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung soll nicht davon abhängig gemacht werden, wie extrem ein Opfer genötigt wurde. Vielmehr sollte die Schwelle zur Vergewaltigung im Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung liegen. Eine Handlung, in welcher sich das Opfer nicht wehren konnte, beispielsweise wegen Freezing, ist nicht weniger schlimm als eine Handlung, gegen die sich zur Wehr gesetzt wurde.  Jeder Eingriff in die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ist schlimm und verdient es, ernst genommen zu werden. Für weniger schwerwiegende Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung bleiben die bisherigen Tatbestände bestehen.

Nein.

Solange der Sex einvernehmlich ist, hat niemand etwas zu befürchten. Die Angst, dass du als potentielle*r Vergewaltiger*in dastehst ist unbegründet, solange du das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des oder der Sexualpartner*in respektierst. Es gehört nicht viel dazu, dass du dir der Zustimmung zum Sex sicher sein kannst, und du musst keine Bedenken haben, solange du dich niemandem aufdrängst, der oder die einer sexuellen Handlung nicht zugestimmt hat.

Hier kannst du unsere ganze Vernehmlassungsantwort lesen: