Vernehmlassungsantwort der Operation Libero zur MEI-Umsetzung: Vier grundlegende technische Fehler.
Medienmitteilung
Wir fordern den Bundesrat dazu auf, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken: Die rechtlichen Möglichkeiten der Migrationssteuerung sind eingeschränkt – nicht nur gegenüber EU/EFTA-Angehörigen, sondern auch gegenüber Drittstaatsangehörigen. Wir fordern ihn zudem auf, die Umsetzung der Vorlage so zu gestalten, dass jene Zuwanderer, die nach wie vor in die Schweiz zugelassen werden, hier eine langfristige Perspektive haben. Und wir fordern ihn auf, in der Vorlage wenigstens in den Grundzügen zu regeln, wie denn die Struktur der Kontingente aussehen soll.
Vier Punkte müssen dabei hervorgehoben werden:
- Die Fehler der Saisonnierpolitik werden wiederholt. Die Vorlage schafft Anreize für kurzfristige Arbeitseinsätze von unter vier Monaten: Kurzaufenthalter- und Grenzgängerbewilligungen bis zu vier Monaten sind die einzige Möglichkeit, Arbeitskraft aus Drittstaaten in die Schweiz zu importieren, ohne dabei durch Kontingente behindert zu sein. Das mag Arbeitgebern in Branchen mit tiefer Produktivität, tiefen Qualifikationsanforderungen und saisonal schwankendem Personalbedarf nützen. Aber es drückt Löhne und Arbeitsbedingungen, schafft Prekarität und wiederholt damit die Fehler der Saisonnierpolitik. Jene Zuwanderer, die nach wie vor in die Schweiz zugelassen werden, brauchen eine langfristige Perspektive in diesem Land.
- Die Struktur der vorgesehenen Kontingente ist in der Vorlage zu wenig klar. Sie enthält keine Regeln darüber, ob es für verschiedene Aufenthaltszwecke verschiedene Kontingente gibt und ob allfällige Überbestände aus den einen Teilkontingenten auf andere übertragen werden können. Ohne solche Regeln sind die Folgen der Umsetzung noch unberechenbarer, als sie es ohnehin schon sind.
- Kontingente haben weder eine Steuerungs- noch eine Begrenzungsfunktion bei Zuwanderergruppen aus Drittstaaten, die einen Anspruch auf Anwesenheit im Land haben. Die zentrale Idee der bundesrätlichen Vorlage besteht darin, Bewilligungen an Personen zu kontingentieren, die einen Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz haben (Flüchtlinge, Personen im Familiennachzug etc.). Dadurch entsteht der Eindruck, die Migrationsbehörden hätten bei den Kontingentsplätzen eine Wahl und könnten darüber entscheiden, wem die knappen Plätze zugeteilt werden. Das ist aber nicht der Fall. Erfüllen die Personen gewisse Eigenschaften (wie Flüchtlingsstatus, Verwandtschaft etc.), so haben sie einen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz – ob die Kontingente schon ausgeschöpft sind oder nicht. Die Migrationsbehörden müssen also jedes Mal, wenn die Kontingente ausgeschöpft sind, diese entweder erhöhen (was der Bundesrat jederzeit kann) oder den betroffenen Personen eine prekäre Übergangslösung anbieten.
- Die Vorlage stiftet Verwirrung mit einer rechtsetzungstechnischen Seltsamkeit. Sie wiederholt mit Art. 2 Abs. 2 eine Bestimmung, die bereits im bestehenden Recht steht. Nämlich, dass das Ausländergesetz nur soweit gültig ist, als dass imFreizügigkeitsabkommen mit der EU nichts anderes abgemacht ist (FZA-Vorbehalt). Dies explizit in den Vorschlag aufzunehmen ist nicht zwingend, da das entsprechende Gesetz bereits besteht. Einzig die veraltete Bezeichnung “Europäische Gemeinschaft” wurde angepasst. Der Vorschlag ist aber nicht nur nicht zwingend, sondern schafft im Gegenteil ein Risiko. Denn für das Volk entsteht damit der falsche Eindruck, bei einer Referendumsabstimmung über den Vorschlag könnte der FZA-Vorbehalt aufgehoben werden.