Die Schweiz lässt mit dem PMT ein Biest in die Rechtsordnung
Medienmitteilung
Die Schweiz lässt mit dem PMT ein Biest in die Rechtsordnung
Medienmitteilung
Die Stimmbevölkerung hat heute das PMT-Gesetz angenommen. Damit hat sie sich ein Biest in die Rechtsordnung geholt und lässt dieses sogleich von der Leine. Das Abstimmungsergebnis stellt einen dunklen Tag für die Rechtsstaatlichkeit dar. Der erfolgte Abstimmungskampf ist ein Armutszeugnis für unsere direkte Demokratie.
Mit der Annahme des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) hat sich die Schweiz ein Biest in die Rechtsordnung geholt und es sogleich von der Leine gelassen. Zwar wird die Schweiz nicht von heute auf morgen zum Polizeistaat. Doch von nun an braucht es Gottvertrauen, dass die Polizeibehörden die enorme Macht, die ihnen heute eingeräumt wurde, nicht missbrauchen. Denn das PMT kennt kaum Kontrollmöglichkeiten. Der heutige Tag markiert einen bedeutenden Paradigmenwechsel: Von der Unschulds- zur Gefährlichkeitsvermutung, von Gewaltenteilung zu Machtkonzentration, von der rechtsstaatlichen Kontrolle auf Behörden zum blinden Vertrauen, von der Polizei als Ermittlungsbehörde zur Polizei als Wahrsagerin. Möglich wurden diese Paradigmenwechsel nur durch einen Tiefpunkt in der Qualität parlamentarischer Arbeit und durch mutwillige behördliche Irreführung.
Staatsanwälte und Alt-Bundesrichter haben Beschwerde eingereicht, weil Bundesrätin Karin Keller-Sutter renitent Falschaussagen verbreitet – die Beschwerden sind noch ausstehend. Die UNO und der Europarat haben in der Schweiz interveniert, weil die Schweiz Terrorismusdefinitionen von Diktaturen übernimmt. 60 Schweizer Rechtsprofessor*innen haben Bundesrat und Parlament vor der Aushöhlung des Rechtsstaates warnen müssen. Wie konnte es so weit kommen?
Armutszeugnis für die direkte Demokratie
Nicht nur ist das Gesetz einer freiheitlichen Demokratie wie der Schweiz unwürdig, auch der Abstimmungskampf markierte einen Tiefpunkt. Erstens wurde die Vorlage ohne Not gleichzeitig mit vier anderen komplexen nationalen Vorlagen zur Abstimmung gebracht. Nachdem die Corona-Pandemie schon bei der Behandlung des PMT im Parlament viel Aufmerksamkeit gebunden hatte, die diesem Gesetz hätte gelten müssen, ging es nun auch im Lärm eines Super-Abstimmungs-Sonntags unter. Zweitens wurden vom Bundesrat und den Parteien selten derart viele Falschinformationen verbreitet. Und schliesslich wurde selten über eine Behördenvorlage so wenig berichtet und so unkritisch debattiert. So wurde das PMT, dieser brandgefährliche Einbruch in den Rechtsstaat, mit einem historisch niedrigen Stand der Meinungsbildung angenommen – all das ist ein Armutszeugnis für die direkte Demokratie.
Es ist ungenügend gelungen, den demokratisch notwendigen öffentlichen Diskurs zu entfachen. Zwar ist es zuletzt gelungen, weite Teile der Bevölkerung auf die Gefährlichkeit dieses Gesetzes aufmerksam zu machen und die Zustimmung zum PMT ist in den vergangenen Wochen deutlich gesunken. Doch der Alarm, der hätte abgehen müssen, ging viel zu spät ab: in der Verwaltung, im Parlament, in den Parteien und in der öffentlichen Debatte.
Ein erster Vorgeschmack
Die Schweiz habe keine rechtsstaatlichen Garantien nötig, weil sie schliesslich die tugendhaftesten Behörden habe, so das Versprechen. Unsere Polizist*innen würden das Biest nie auf Klimaaktivist*innen oder unbescholtene Bürger*innen loslassen. Die Ironie an der Geschichte: Ebenjene Bundesrätin, die dieses Versprechen abgab, setzte zwei Wochen vor der heutigen Abstimmung die Polizeibehörden auf gewaltlose Klimaaktivist*innen an. Schon bevor das PMT also in Kraft ist, wird gegen politische Gegner*innen der Repressionsapparat – der heute massiv ausgebaut worden ist – anstelle des zwanglosen Zwangs des besseren Argumentes eingesetzt. Es ist gut möglich, dass das Biest, das wir uns heute geschaffen haben, rasch wachsen wird, befürchtet Sanija Ameti: «Unser Vertrauen in die Polizeibehörden wurde bereits mehrfach, zuletzt vor zwei Wochen, missbraucht. Das PMT wird nach demselben Muster auch auf Aktivist*innen und unliebsame Personen ausgeweitet werden. Analog wie damals beim Fichenskandal.»
Die Operation Libero wird auf der Hut bleiben und daraufhin wirken, dass dieses Biest nicht nur an der kurzen Leine gehalten wird, sondern auch, dass es so rasch wie möglich wieder aus der Schweizer Rechtsordnung verschwindet.