Konsensbasiertes Sexualstrafrecht verschlafen: Jetzt muss der Nationalrat den Ständerat wachrütteln
Medienmitteilung
Konsensbasiertes Sexualstrafrecht verschlafen: Jetzt muss der Nationalrat den Ständerat wachrütteln
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Der Ständerat verschläft mit seinem Entscheid gegen die Zustimmungslösung die Chance auf ein zeitgemässes Sexualstrafrecht. Einzig die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung schützt die sexuelle Selbstbestimmung vollumfänglich und wird der Schockstarre bei sexuellen Übergriffen genügend gerecht. Jetzt muss der Nationalrat den Ständerat wachrütteln und den Entscheid korrigieren.
Vor der heutigen Debatte hatten Politaktivist*innen von Operation Libero auf dem Bundesplatz versucht, mit einem XXL-Wecker die Ständerät*innen für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung aufzuwecken. Die gewählten Parlamentarier*innen sollten sich dafür einsetzen, dass eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit endlich auch den Weg ins Strafrecht findet: Für sexuelle Handlungen braucht es die verbale oder non-verbale Zustimmung aller Beteiligten, sonst handelt es sich um sexualisierte Gewalt, die strafrechtlich geahndet werden muss.
So sieht es auch die Mehrheit der Schweizer*innen: In einer repräsentativen Umfrage wurde die Zustimmungslösung als am besten geeignet eingestuft. Und rund 25’000 Menschen unterschrieben einen Weckruf ans Parlament von Amnesty International, Operation Libero und weiteren Organisationen (z.B. Opferschutz-Organisationen).
«Nein heisst Nein» ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse
Der Ständerat hat mit seinem heutigen Entscheid nicht nur eine gesellschaftliche Realität, sondern auch wissenschaftliche Fakten ignoriert. «Die ‹Nein heisst Nein›-Lösung schützt die sexuelle Selbstbestimmung ungenügend und wird der Schockstarre bei sexuellen Übergriffen nicht gerecht», sagt Denis Sorie, Co-Kampagnenleiter des Teams Sexualstrafrecht bei Operation Libero.
Oft ist es Betroffenen von sexuellen Übergriffen nicht möglich, ein verbales oder non-verbales Nein zu kommunizieren, da sie eine Schockstarre überkommt (sog. «Freezing»). So hat eine klinische Studie im Jahr 2017 ergeben, dass bei 70 % der 298 Teilnehmerinnen, die eine Vergewaltigung erlebt hatten, Freezing stattgefunden hat. Nur bei der Zustimmungslösung wird diese Lähmungsreaktion genügend berücksichtigt.
Der Nationalrat muss den Entscheid korrigieren
«Wir rufen den Nationalrat auf, den Entscheid des Ständerates zu korrigieren und die ‹Nur Ja heisst Ja›-Lösung ins Sexualstrafrecht zu schreiben», so Sorie. Damit würde die Schweiz auch endlich die Istanbul-Konvention des Europarates umsetzen, die seit 2018 in Kraft ist, und so ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen. Diese hält fest: Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung. In 12 Ländern Europas ist die Zustimmungslösung bereits Realität. Weitere Staaten werden wohl folgen.
Bis zum Entscheid des Nationalrates wird Operation Libero zusammen mit zivilgesellschaftlichen Partner*innen weiterhin lautstark für die Zustimmungslösung einstehen. Wir rufen die Bevölkerung auf, den Weckruf ans Parlament zu unterzeichnen. Denn heute ist klar geworden: Die Politik hat ihn noch immer nötig und muss endlich aufwachen.