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Keine X-te Schwarzenbach-Initiative – NEIN zur Kündigungsinitiative

Vor 50 Jahren hat sie begonnen: Die Serie von Initiativen, deren jüngstes Beispiel die Kündigungsinitiative ist. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Ein abwertendes Migrationsnarrativ. Die Antwort an der Urne damals: Nein, wir wollen das nicht. Ein Nein braucht es auch am 27. September. 

von Annina Fröhlich, Vorstandsmitglied Operation Libero

In diesem Sommer jährt sich die Abstimmung über die Schwarzenbach-Initiative zum 50. Mal. Mit deren Lancierung schaffte ein abwertendes Migrationsnarrativ den Einzug in die Schweizer Parteienlandschaft, das uns heute in der Kündigungsinitiative wieder begegnet. Dieses Narrativ konzentriert sich insbesondere darauf, Zugewanderte als nicht dazugehörig abzuwerten und auszugrenzen. Konkret verlangte die Initiative, die Zuwanderung auf maximal 10 Prozent der Gesamtbevölkerung zu beschränken. Die Schweizer Männer (Frauen hatten damals noch kein Stimmrecht) lehnten die Initiative 1970 mit 54 Prozent ab.

Damals lebten rund eine Million Italienerinnen und Italiener im Land. Die Gesamtbevölkerung belief sich auf fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Man(n) wollte zwar Italiener und Italienerinnen im Land haben, die Tunnels und Autobahnen bauten, in den Haushalten putzten, in den Fabriken arbeiteten und auf die Kinder aufpassten, aber Rechte sollten sie keine haben. Unter anderem galt für alle Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter ein restriktives politisches Betätigungsverbot – Rede- und Meinungsfreiheit waren inexistent. Kinder konnten erst nach mehreren Jahren in die Schweiz geholt werden, vorher lebten die Familien über Jahre getrennt voneinander. 

Als ich neulich mit meiner Nonna telefonierte, sprach ich sie auf dieses traurige „Jubiläum“ der Schwarzenbach-Initiative an. Sie fragte mich, ob ich denn etwas Zeit hätte und setzte an zu einer längeren, verstörenden Erzählung über eine fremdenfeindliche Zeit der 60er Jahre. Sie schilderte mir junge Männer und Frauen, die in die Arztpraxis meines Grossvaters kamen. Nicht wenige von ihnen kamen mit wüsten Verletzungen. Wenn jeweils das Telefon klingelte und ein Arbeiter aus einer Fabrik anrief, um einen schlimmen Unfall zu melden, kam es regelmässig vor, dass die Verunfallten sich – trotz der schlimmen Verletzungen – zuerst zu Hause umzogen, um keinen schlechten Eindruck beim „Dottore“ zu hinterlassen.

Die Arbeitsbedingungen für diese Menschen waren meist äusserst gefährlich. Viele von ihnen arbeiteten in den umliegenden Fabriken, oft rund 12 Stunden täglich. Sicherheitsstandards gab es zwar, aber diese wurden meist nicht eingehalten. Diese Menschen erledigten Arbeiten, wofür sich Schweizerinnen und Schweizer zu schade waren. Meine Nonna erklärte mir, dass diese Frauen und Männer bereit waren, jede Arbeit zu übernehmen, weil sie damit endlich etwas verdienten. Nicht wenige von ihnen schickten die Hälfte des Monatsgehalts nach Italien zurück, um verbleibende Verwandte zu unterstützen. Meine Nonna erzählte mir auch von Kindern, die zu Hause eingesperrt waren, weil die Gastarbeiter erst offiziell nach 5 Jahren ihre Familien in die Schweiz holen durften. Diese Kinder wurden von Italien in die Schweiz geschmuggelt. Sie konnten hier keine Schule besuchen, sondern mussten den ganzen Tag zu Hause ausharren, damit niemand Verdacht schöpfen konnte.

Die Kündigungsinitiative, über die wir am 27. September abstimmen, will das System, das seine Schwächen damals gezeigt hat, wiederbeleben und sogar noch ausbauen: Zuwanderung mit eingeschränkten Rechten, Planwirtschaft, Bürokratie. Wir sollen also die Fehler von gestern wiederholen, wenn es nach den Initianten geht.

Meine Nonna sagt ganz bestimmt NEIN zu dieser Initiative. Ich auch. Und zwar laut und deutlich.