Faktencheck #5: “Bei Annahme der Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) würden Schweizer Unternehmen für ihre gesamte Zuliefererkette haften.”
FALSCH!
“Neu sollen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, die Zulieferer oder Zulieferer von Zulieferern im Ausland haben, auch für diese haften, obwohl man wirtschaftlich keine Durchsetzungskraft hat.”
Quelle: SRF Tagesschau
Ein Konzern haftet gemäss KVI nur dann für seinen Zulieferer, wenn er diesen wirtschaftlich kontrolliert. Die Behauptung, Unternehmen trügen für ihre gesamte Zuliefererkette die Verantwortung, ist schlicht unwahr. Die Initiative führt keine Haftung für Dritte ein.
Ein Evergreen der Gegner*innen der KVI ist, dass die von der KVI vorgesehene Haftungsregel die ganze Zuliefererkette eines Schweizer Konzerns umfasse – sprich seine Zulieferer und die Zulieferer seiner Zulieferer und die Zulieferer der Zulieferer seiner Zulieferer und die Zulieferer der Zulieferer der Zulieferer seiner Zuliefer, usw. Prominentestes Beispiel hierfür ist die Aussage von FDP-Präsidentin Petra Gössi anlässlich der Pressekonferenz des Nein-Komitees am 30. September: “Neu sollen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, die Zulieferer oder Zulieferer von Zulieferern im Ausland haben, auch für diese haften, obwohl man wirtschaftlich keine Durchsetzungskraft hat.” Fun fact: Gössi hat diese Aussage ein paar Tage nach der Pressekonferenz korrigiert, da sie schlicht falsch ist.
Fakt ist:
Bereits aus dem Initiativtext (Art. 101a Abs. 2 lit. a BV) ergibt sich klar, dass Schweizer Konzerne und KMU, die in Hochrisiko-Sektoren tätig sind, grundsätzlich nicht für ihre Zulieferer haften. Sie tun dies nur dann, wenn die Zulieferer von ihnen tatsächlich kontrolliert werden – also dann, wenn sie diese massgeblich mitbesitzen oder etwa ihr einziger Abnehmer sind. Noch deutlicher wird das im vom Initiativkomitee unlängst publizierten Modellgesetz. Dieses hält schwarz auf weiss fest, dass die KVI “keine Haftung für das Verhalten von Dritten, mit denen das Unternehmen oder ein von ihm kontrolliertes Unternehmen eine Geschäftsbeziehung hat” vorsieht. Für Zulieferer müsste künftig also nur ausnahmsweise gehaftet werden – nämlich dann, wenn ein Schweizer Konzern einen Zulieferer tatsächlich kontrolliert.
Was das genau heisst, wird der Gesetzgeber, also unser Parlament, und danach das zuständige Zivilgericht festlegen müssen. Gemäss dem Initiativkomitee soll die tatsächliche Kontrolle eines Zulieferers in folgenden Fällen gegeben sein: Ein Konzern kontrolliert ein Unternehmen, wenn dieser (i) das Zulieferunternehmen tatsächlich leitet (sog. Leitungsprinzip) oder (ii) die Möglichkeit hat, dieses tatsächlich zu leiten (sog. Kontrollprinzip). (Dieser Kontrollbegriff stützt sich übrigens auf die bekannte Konzerndefinition zur Konsolidierungspflicht (Art. 963 OR).) Dem Willen der Initiant*innen ist – wie bereits in unserem letzten Faktencheck betont – bei der Umsetzung respektive Auslegung der KVI durch das Parlament, den Bundesrat und die Gerichte Rechnung zu tragen.
In beiden Fällen – tatsächliche oder mögliche Leitung – kann der Konzern direkt auf das Verhalten des Zulieferers Einfluss nehmen, weswegen eine Haftung hier angebracht ist, nicht aber darüber hinaus. Leitet oder kontrolliert ein Konzern seinen Zulieferer nicht, ist eine Haftung gemäss der KVI denn auch ausgeschlossen.
Kurz zusammengefasst:
Ohne Kontrolle keine Haftung. Die KVI führt daher grundsätzlich keine Haftung für Zulieferer ein.