Versprechen einlösen: Für eine Schweiz mit Konzernverantwortung im 21. Jahrhundert!
Wir bleiben am Ball
Nach dem JEIN zur Konzernverantwortungsinitiative soll nun der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft treten. Doch die Umsetzung widerspricht den bundesrätlichen Versprechen aus dem Abstimmungskampf. Operation Libero bleibt am Ball und fordert Nachbesserungen.
Als Vertreterin einer liberalen Wirtschaftsordnung, in der Freiheit und Verantwortung stets Hand in Hand gehen, haben wir uns im Herbst 2020 für die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) eingesetzt. Und damit für ein JA zu einem präventiven und unbürokratischen Vorschlag für Konzernverantwortung und gegen die unwirksame Papiertiger-Lösung des indirekten Gegenvorschlages.
Nach dem JEIN zur KVI am 29. November 2020 – eine Mehrheit der Stimmbevölkerung hat sich für die KVI ausgesprochen, das notwendige Ständemehr wurde aber nicht erreicht – hat Operation Libero angekündigt und versprochen, am Ball zu bleiben und sich weiterhin dafür einzusetzen, dass die Schweiz im europäischen Vergleich nicht zum Schlusslicht wird. Doch genau das droht ihr nun auch im Bereich der Konzernverantwortung – und das trotz des Volksmehrs, das deutlich gemacht hat, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.
Am 14. April 2021 hat der Bundesrat nämlich einen Verordnungsentwurf vorgestellt, der dem im Abstimmungskampf vom Bundesrat abgegeben Versprechen, nämlich die neuen Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten weitgehend mit entsprechenden Regulierungen im europäischen Umfeld abzustimmen, nicht ansatzweise gerecht wird.
In diesem Blogbeitrag fassen wir unsere wichtigsten Kritikpunkte an den neuen Gesetzesbestimmungen nochmals zusammen und formulieren zehn Nachbesserungsforderungen, die wir dem Bundesrat als Vernehmlassungsantwort zu dessen Entwurf zur “Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz in den Bereichen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit” heute übermittelt haben.
Überholte, unwirksame und bürokratische Gesetzesänderungen
Wir haben schon im Abstimmungskampf keinen Hehl daraus gemacht, dass der indirekte Gegenvorschlag eine unwirksame Papiertiger-Lösung ist. Im Unterschied zur KVI, die menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten sowie eine zivilrechtliche Haftung – ein ur-liberales Durchsetzungsmittel – einführen wollte, fokussiert der Gegenvorschlag fast ausschliesslich auf Berichterstattungspflichten und verzichtet weitgehend auf eigentliche Sorgfaltspflichten. Letztere sind nur bezüglich vier Konfliktmaterialien und Kinderarbeit vorgesehen. Das sind nur einige wenige, willkürlich ausgewählte Ausnahmefälle.
Gewichtige Probleme wie etwa Zwangs- und Sklavenarbeit, gesundheitsschädigende Arbeit oder die Thematik der Umweltzerstörung wurden ausgeklammert. Mit seinem Fokus auf Berichterstattungspflichten folgt der Gegenvorschlag einer veralteten Regulierungsidee, die sich in der Praxis in verschiedenen europäischen Ländern und auch in der Schweiz als eindeutig unzureichend erwiesen hat. Aktuelle Gesetzesentwicklungen in Europa wurden offensichtlich ignoriert.
Doch damit nicht genug: Die Schweiz schwächt diese überholten Ansätze auch noch deutlich ab, insbesondere bei der Durchsetzung der Sorgfaltspflichten. Es gibt keine unabhängige Sanktionsmöglichkeit für Unternehmen, wenn diese ihre Sorgfaltspflichten verletzen. Das bedeutet im Grunde: keine Konzernverantwortung.
Bundesrätliches Versprechen einhalten
Die nun vorgeschlagene Verordnung erfüllt ein zentrales Versprechen des Bundesrates nicht:
- den Anspruch des Gegenvorschlages, auf eine international abgestimmte Weise mehr Konzernverantwortung in der Schweiz einzuführen.
Der Bundesrat verpasst es, dem mit dem Volksmehr für die KVI vom Schweizer Stimmvolk klar zum Ausdruck gebrachten Handlungsbedarf punkto Konzernverantwortung gerecht zu werden. Vielmehr stehen die Gesetzesänderungen in zunehmend krassem Widerspruch zur internationalen Entwicklung und führen zudem zu signifikanter Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen.
Wir bedauern das sehr. Denn die Schweiz verpasst es damit, einen wichtigen Schritt für eine liberale, zukunftsorientierte Wirtschaftsordnung zu machen und dazu einen zentralen internationalen Trend aktiv mitzugestalten. Es ist dringend nötig, mit der Verordnung den gesetzlichen Rahmen bestmöglich auszuschöpfen.
Umfassende Nachbesserungen notwendig
Wir wollen mehr Konzernverantwortung – auf eine international abgestimmte Weise – und damit Rechtssicherheit für Schweizer Unternehmen schaffen. Doch leider erreicht der Verordnungsentwurf des Bundesrates nichts davon. Deshalb braucht es umfassende Nachbesserungen. Die neuen Schweizer Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten müssen unbedingt in Einklang mit internationalen Standards – vor allem den UN Guiding Principles und den OECD Guidelines for Multinational Enterprises – gebracht werden. Wie das geht?
In unserer Vernehmlassungsantwort stellen wir zehn konkrete Forderungen, wie der Verordnungsentwurf so verbessert werden kann, dass die Schweiz punkto Konzernverantwortung nicht vollends zum Schlusslicht wird.
1. Forderung
Alle Unternehmen mit satzungsmässigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz müssen in den Anwendungsbereich der Sorgfalts- und Transparenzpflichten fallen.
2. Forderung
Die Lieferkette soll gemäss internationalen Standards nicht nur die eigene Geschäftstätigkeit und die von Tochterunternehmen umfassen, sondern auch vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen, das heisst vom Abbau der Rohstoffe über deren Verarbeitung bis zur Nutzung auf Kundenseite und zu end-of-life-Prozessen.
3. Forderung
Im Bereich Konfliktmineralien soll die Schweizer Regelung mit Entwicklungen in der EU Schritt halten. Sie soll etwa im Falle einer Anpassung vollumfänglich und dynamisch das jeweils geltende EU-Recht übernehmen.
4. Forderung
Die “Verdachtsprüfung” im Bereich Kinderarbeit soll als integraler Bestandteil der Sorgfaltspflichten im Sinne eines aktiven und systematischen Ermittelns und Bewertens der Risiken für Kinderarbeit verankert werden. Dazu müssen klare Vorgaben zur Methodik und den verwendeten Quellen definiert werden.
5. Forderung
Die Ausnahme von den Berichterstattung- und Sorgfaltspflichten im Bereich Kinderarbeit für KMU soll im Einklang mit internationalen Standards risikobasiert ausgestaltet werden. Dementsprechend darf es keine Ausnahme für KMU mit hohen Risiken im Bereich Kinderarbeit geben.
6. Forderung
Um als Unternehmen mit geringem Risiko für Kinderarbeit zu gelten, soll die Risikoeinstufung die gesamte Lieferkette umfassen und die Unternehmen Transparenz über die Methodik und das Ergebnis der Risikoeinstufung schaffen müssen.
7. Forderung
Der gesetzgeberische Zirkelschluss bei Einhaltung internationaler Regelwerke soll in den Umsetzungsbestimmungen bestmöglich korrigiert werden. Dafür muss genauer definiert werden, was von Unternehmen erwartet wird, damit sie das Erfordernis “Einhaltung von international anerkannten gleichwertigen Regelwerken” erfüllen.
8. Forderung
Der Sorgfaltspflichten-Katalog im Bereich Konfliktmineralien und Kinderarbeit soll systematisch mit den zentralen Anforderungen der UNGP/OECD-Guidelines ergänzt werden. Aktuell fehlen z.B. die Pflicht zum Verabschieden einer Grundsatzerklärung, die direkte Konsultation mit potenziell betroffenen Personen oder die Wirksamkeitskontrolle.
9. Forderung
Die Anforderungen an das Lieferantenmanagement soll präzisiert und ausgebaut werden. Unternehmen müssen in ihren Beziehungen mit Lieferanten angemessene Kontroll- und Unterstützungsmechanismen (z.B. Schulungen und Weiterbildungen) umsetzen. Als Vorbild dient das neue deutsche Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz.
10. Forderung
Die Anforderungen an präventive Massnahmen sollen in der Verordnung präzisiert und ausgebaut werden. Menschenrechtsverletzungen haben oft gravierende Folgen für die Betroffenen, die nur schwer wiedergutzumachen sind. Deshalb ist es zentral, dass präventive Massnahmen ergriffen werden. Auch hier kann das neue deutsche Gesetz als Vorbild dienen.
Du willst mehr dazu lesen? Dann lade unsere Vernehmlassungsantwort runter: