JA zur Personenfreizügigkeit
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hat Ende letzte Woche ihre Vorschläge zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative präsentiert. In einem ersten Schritt soll der Bundesrat Massnahmen zu einer besseren Ausschöpfung des Potenzials inländischer Arbeitskräfte vorsehen. In einem zweiten Schritt könnte eine Stellenmeldepflicht eingeführt werden, sofern die Zuwanderung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.
Die Kommission bemüht sich mit diesen Vorschlägen, das Personenfreizügigkeitsabkommen nicht zu verletzen. Zu Recht: Die Stimmbevölkerung hat den Bund im Februar 2014 damit beauftragt, Verhandlungen mit der EU zu führen. Doch sie hat nie einer Kündigung der Personenfreizügigkeit zugestimmt und auch keinen Auftrag zu deren Verletzung erteilt. Die Verhandlungen sind gescheitert. Damit stehen wir vor einer neuen Situation: Der Initiativtext sagt nicht, wie der Konflikt zwischen dem Personenfreizügigkeitsabkommen und den neuen Verfassungsbestimmungen zu lösen ist.
Verträge sind einzuhalten
Völkerrechtliche Verträge wie die Personenfreizügigkeit sind einzuhalten, sofern sie nicht gekündigt werden. Die Kommissionsmitglieder respektieren mit ihren Vorschlag diesen Grundsatz richtigerweise: Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben die Personenfreizügigkeit mehrmals an der Urne bestätigt: 2000 sagten sie mit 67.2% Ja zu den Bilateralen Verträgen 1, wozu auch die Personenfreizügigkeit gehört. 2005 und 2009 sagten sie Ja zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen Mitgliedsländer der EU.
Allerdings – soviel Ehrlichkeit muss sein – der neue Verfassungsartikel zur Zuwanderung wird mit diesem Vorschlag nicht wörtlich umgesetzt. Dies ist jedoch nicht der Fehler der SPK-N, sondern der SVP, die der Stimmbevölkerung vorgegaukelt hat, es könne den Fünfer, das Weggli und die Tochter des Bäckers haben.
Der Vorschlag ist demokratisch
Muss folglich nicht von einer Missachtung des Volkswillen gesprochen werden? Nein. Vielmehr wäre ein Bruch mit den Bilateralen ohne expliziten Auftrag der Stimmbevölkerung undemokratisch. Die Initiative forderte eine Begrenzung der Zuwanderung. Mit keinem Wort wurde die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens oder der Bilateralen Verträge erwähnt - gefordert wurden Verhandlungen. Wenn die SVP nun weiter gehen will, als ursprünglich vorgesehen, dann muss sie dies eindeutig verlangen.
Die Operation Libero würde einen Vorschlag zur Kündigung vehement bekämpfen. Die Masseneinwanderungsinitiative war ein Versuch, die Bilateralen durch die Hintertür anzugreifen, ohne die Stimmbevölkerung dabei explizit zu fragen. Die SPK-N hat dies erkannt. Gut so. Don’t play with my Personenfreizügigkeit!