Warum setzt sich die FDP für bürokratische Integrationshindernisse ein?
Der Bundesrat hat eine längst überfällige Reform der “vorläufigen Aufnahme” in Angriff genommen. Sie soll Integration ermöglichen und Bürokratie abbauen. Umso mehr enttäuscht die Reaktion der FDP: Sich für bürokratische Integrationshindernisse einzusetzen, welche Freiheit einschränken und Kosten verursachen, passt so gar nicht zu einer liberalen Politik.
von Janos Ammann
35000 Menschen gelten in der Schweiz als “vorläufig aufgenommen”, obwohl 90 Prozent von ihnen permanent hier bleiben werden. Der Status ist eine Lebenslüge. Mehr noch: Wir schränken den Zugang zum Arbeitsmarkt ein, beschneiden die Niederlassungsfreiheit und verwehren ein Familienleben – und sind somit sehr fleissig darin, Integration zu verhindern. Wir legen den “vorläufig” Aufgenommenen Steine in den Weg und vergessen, dass wir damit auch unseren Weg versperren: Wenn wir es ihnen so schwer wie möglich machen, einer Arbeit nachzugehen, zahlen wir die Sozialhilfe; wenn wir sie in der Unsicherheit eines prekären Status lassen, zahlen wir als Gesellschaft den sozialen Preis einer an den Rand gedrängten Bevölkerungsgruppe. Es ist höchste Zeit, den Status der vorläufigen Aufnahme der Realität anzupassen.
Der Bundesrat hat den Handlungsbedarf erkannt und einen Reformvorschlag präsentiert. Der Bundesrat sieht die Probleme unter anderem beim verzögerten Familiennachzug und beim fehlenden Übergang zu einer regulären Aufenthaltsbewilligung, will diese aber nur teilweise entschärfen. Der Vorschlag geht in die richtige Richtung, ist aber inkonsequent. Wenn sich die Chance einer so sinnvollen Reform ergibt, dann sollte der Bundesrat sie ergreifen und nichts halbfertiges abliefern.
Doch selbst die kleinen Schritte stossen auf Widerstand: Die Blockadepolitik von Seiten der SVP ist nicht überraschend – Arbeitsmarktintegration abzuhlehnen und gleichzeitig ständig “nicht integrierte Ausländer” zu kritisieren, passt zu ihrer nicht-lösungsortierten Asylpolitik. Es ist ein zynisches Spiel. Die SVP verhindert die Integration absichtlich, damit sie später über nicht integrierte Ausländer herziehen kann.
Unverständlich ist die negative Reaktion der FDP. Als Bürokratie-Bekämpfer sollten sie sich gegen bürokratische Integrationshindernisse einsetzen. Als Liberale erst recht. Philipp Müller pocht in der Sendung 10vor10 auf Wegweisungen und ignoriert dabei die Realität in den Herkunftsländern der Geflüchteten. In einer besonders abenteuerlichen Verdrehung argumentiert er mit hohen Sozialhilfequoten gegen eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Den Zugang zum Arbeitsmarkt verhindern um hohe Sozialhilfequoten in den Griff zu bekommen – das ist wie Alkoholismus mit Schnaps bekämpfen. Die FDP hat die Möglichkeit, restriktive Regulierungen für Arbeitgeber und Individuen zu streichen und damit Bürokratie sowie Sozialhilfeabhängigkeit abzubauen. Aber die Partei für “mehr Freiheit und weniger Staat” scheint im Asylwesen ihren Mut zur Freiheit verloren zu haben.
Mit ein wenig Weitsicht wird klar, dass die Arbeitsmarktintegration jener Menschen, die in der Schweiz Schutz gefunden haben, eine Priorität der nächsten Jahre sein muss. Die Beseitigung bürokratischer Hindernisse ist ein erster, einfacher Schritt in diese Richtung. Machen wir ihn. Denn die Integrationshindernisse nützen niemandem. Niemandem ausser Politikern, die in ein paar Jahren mit Beispielen gescheiterter Integration und rot-schwarz gefärbten Sozialhilfe-Statistiken Stimmung machen wollen. Zumindest von den FDP-Politikern dürfen wir erwarten, dass sie dieses Spiel nicht mitspielen.