Für die Schweiz der Zukunft, nicht der Vergangenheit
Viel zu lange hat ein Bild der Schweiz, das es so nie gegeben hat, unseren Blick auf unser Land getrübt.
1.-August-Rede von Co-Präsidentin Laura Zimmermann
Bolligen, Bern, 1. August 2019
Heute feiere ich mit Ihnen den 1. August, ich feiere mit Ihnen die Schweiz. Weil ich es gern habe, dieses Land. Dieses Land, in dem ich das Glück habe, geboren worden zu sein. Dieses Land, in dem ich das Glück habe, leben zu dürfen. Ich bin stolz auf die Freiheiten und Errungenschaften, auf welchen unser Land aufgebaut ist.
Fast ein wenig patriotisch, oder?
Der 1. August und Patriotismus: Für die Generation meiner Eltern mögen dieses Datum und dieses Wort noch etwas politisch Spaltendes gehabt haben. Eine ideologische Bruchlinie, wenn man so will.
Ich habe keinerlei Schwierigkeiten mit Patriotismus; Solange Patriotismus Verantwortung bedeutet für das einzustehen, was wir von vorangehenden Generationen übertragen erhalten haben und künftigen Generationen weitergeben müssen.
Wir sprechen bei Operation Libero in diesem Zusammenhang oft von Verfassungspatriotismus. Aber weil ich heute zu Gast bin in der Heimat, bin ich besser daran, auf einen Liedermacher zu verweisen, wie es keinen anderen in Bern je gab: Er konnte die Vorteile unseres Staates gut beschreiben und er hatte ein Verständnis von Patriotismus, welches sich mit meinem gut deckt. Es ist der Patriotismus von Mani Matter, der in einem seiner Lieder die Geschichte erzählt, wie er einem Anarchisten, der das Bundeshaus in die Luft jagen wollte, eine August-Rede gehalten hatte. Eine 1. August-Rede, die so überzeugend war, dass sie auch ein Ross patriotisch gemacht hätte.
Es ist notwendigerweise ein nachdenklicher Patriotismus, der nichts für selbstverständlich nimmt. Das Lied endet damit, dass Mani Matter jedesmal seit jenem Ereignis auf der Bundesterrasse, wenn er am Bundeshaus vorbei geht, daran denken muss. „Mahnts my gäng dra, es steyt nume uf Zyyt, s’länge fürs z’spränge s’paar Seck Dyanmit.“
Mein Patriotismus besteht in erster Linie in der Lust, die Schweiz zu verwirklichen, sie zum vollen Potential für möglichst alle zu entfalten. Aber in zweiter Linie hält mich mein Verständnis von Patriotismus stets dazu an, zu fragen: Was könnten denn die paar Seck Dynamit sein, mit denen das sorgfältig und von Generation zu Generation errichtete Gebäude Schweiz mit seinem Ausgleich, seinen Freiheitsrechten, seinen Beteiligungsmöglichkeiten hops geblasen werden könnte?
Oder: Könnte es vielleicht sein, dass gar nicht Dynamit die grösste Gefahr ist, sondern eine allmähliche, langsame Erosion. Weil sich so langsam aber stetig unsere Chancen und Möglichkeiten mindern?
Wir haben für die anstehenden Parlamentswahlen sieben solche Bereiche identifiziert: Generationenvertrag, zukunftsfähige Klimapolitik, freie Lebensentwürfe, Bürgerrecht und Migration, Digitalisierung, Europa und globaler Wettbewerb.
Daraus ist ein Bereich am 1. August besonders sinnfällig: Das Bürgerrecht. Je mehr die Schweiz zu einer Einwanderungsgesellschaft wird, die sie schon immer war, desto mehr hängt ihr demokratisches Dach schief, weil immer öfter Menschen nicht abstimmen dürfen. Es gehört genau zur Pflege des Gebäudes Schweiz, dass man denjenigen, die hier bei uns ihren Lebensmittelpunkt haben, rasch die Chance auf eine volle Mitgliedschaft bietet.
Es gäbe noch ein paar weitere bröckelnde Stellen am Haus. Und wenn der erste August der Tag ist, an dem wir innehalten, einen Schritt zurück treten, dieses gemeinsame Haus betrachten, dann sollten wir uns fragen: Wo könnte man es verbessern, verschönern, wo droht ihm Gefahr. Schauen wir, dass wir unser gemeinsames Haus, die Schweiz, mit ihren Errungenschaften und Freiheiten im Stande halten. Dass der Weg, der zu unseren Nachbarn führt, und der zu übergrasen droht, begehbar bleibt, dass das Dach nicht rinnt, dass der soziale Lift im Haus weiterhin gut funktioniert.
Meine Damen und Herren, feiern Sie heute mit mir die Schweiz der Zukunft, nicht der Vergangenheit. Seien wir offen, offen gegenüber den anderen Meinungen. Hören wir uns gegenseitig wieder mehr zu. Gehen wir aufeinander zu. Schauen wir gemeinsam, dass wir die Schweiz gestalten können.
Lasst uns gemeinsam die Schweiz zu dem machen was sie ist und zu dem was sie noch vielmehr werden kann: Das Chancenland des 21. Jahrhunderts.
Und nun wünsche ich Ihnen allen von Herzen einen schönen 1. August!