Hintergründe benennen, nicht verschweigen – Nein zur Nationalitätennennung
Replik zum Leitartikel im Tages-Anzeiger
Lieber Mario Stäuble, lieber Tages-Anzeiger
Ich bin enttäuscht von Ihnen. Enttäuscht, dass Sie eine Argumentationslinie der SVP fast wörtlich übernehmen. Enttäuscht, dass Sie nicht mehr nach dem “Warum” fragen. Enttäuscht, dass Sie nicht mehr hinter die Fassade schauen: Cui bono?
Wir stimmen am 7. März nicht darüber ab, ob wir Transparenz bei Straftaten wollen. Die Transparenz samt Kontext ist mit der Polizeilichen Kriminalstatistik bereits gegeben: Da sieht man transparent, wie viele Liechtensteiner:innen welche Straftaten begehen, kann dies diskutieren, einordnen und allenfalls reagieren.
Wir stimmen am 7. März aber darüber ab, ob wir es zulassen, dass die SVP jeden einzelnen "migrantischen" Tatverdächtigen instrumentalisieren kann, um fremdenfeindliche Hetze zu betreiben und daraus politisches Kapital zu schlagen – unter dem Deckmantel der vermeintlichen Transparenz, den auch Sie ihr überziehen.
Wir stimmen darüber ab, ob wir der SVP Futter für solche Tweets liefern wollen: ein Blick-Artikel mit dem Titel “Verdächtiger Afghane ist der Ex-Freund des Models”, versehen mit dem Kommentar “….wer das nicht will, wählt SVP.” Für welche fundierten Debatten in der Blick-Kommentarspalte dieser Artikel wohl als Diskussionsgrundlage dient? Den Tweet hat die SVP bezeichnenderweise am selben Tag veröffentlicht wie Sie Ihren Leitartikel.
Herkunft ist nicht die Ursache für Straffälligkeit, ja es gibt sogar nur einen schwachen Zusammenhang. Die wichtigsten Faktoren für Straffälligkeit sind Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Status und Bildungsniveau. Darum ist die Nationalität bei einer einzelnen Straftat keine Information, die für die Öffentlichkeit relevant ist.
Die Erwähnung von Nationalität und "Migrationshintergrund" suggeriert aber, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Herkunft und Kriminalität. Medien nennen die Herkunft aber fast nur dann, wenn es sich um ausländische Tatverdächtige handelt. Wenn ein Ausländer ein Verbrechen verübt, ist die Wahrscheinlichkeit zudem doppelt so hoch, dass die Medien darüber berichten. Dieselbe Studie kommt übrigens auch zum Schluss, dass die Leser:innen dieses Missverhältnis unterschätzen und deshalb nicht in der Lage sind mit diesen “lückenhaften Informationen sachlich umzugehen”. Dementsprechend wird auch "Ausländerkriminalität" stark überschätzt.
Wie's besser geht, zeigt, wie in letzter Zeit immer öfter, die Republik. Wie man dort liest, lehnen Ihre Kolleg*innen Initiative und Gegenvorschlag mit grosser Mehrheit ab. Anscheinend gibt es doch noch ein paar Journalist*innen, die den Modus Operandi der SVP durchschauen.
Freundliche Grüsse
Florin Hasler im Namen von Operation Libero
PS: 2x NEIN zur zwingenden Nationalitätennennung in Polizeimeldungen am 7. März.