Faktencheck #7: “Die Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) macht die Schweiz zu einer Weltpolizistin”
FALSCH!
“Wir sollten aufhören, die Welt vom hohen Ross des Weltpolizisten herab zu regieren.”
Quelle: cvp.ch
Fakt ist: Schon heute beurteilen Schweizer Gerichte regelmässig Sachverhalte mit internationalen Bezügen. Dies macht die Schweiz nicht zu einer Weltpolizistin, wie immer wieder gerne behauptet wird, sondern ist schlicht und einfach die Folge unserer globalisierten Lebensumstände und den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Da es bei der KVI um Konzerne mit Sitz in der Schweiz geht, sind Schweizer Gerichte zuständig.
Wir leben in einer globalisierten Welt. Wir schauen US-amerikanische Serien auf Netflix, heiraten Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, gehen in Deutschland oder Frankreich einkaufen und konsumieren Produkte, die in irgendwo auf dem Planeten hergestellt werden. Unser Leben und unsere Wirtschaft sind eng mit dem Rest der Welt verknüpft.
Wer behauptet, die KVI sei «postkolonial» und «rechtsimperial», da Schweizer Gerichte Sachverhalte mit internationalem Bezug beurteilen würden, verkennt die Rolle und Funktion von nationalen Gerichten in dieser globalisierten Welt. Schweizer Gerichte beurteilen schon lange und immer wieder Sachverhalte mit internationalem Bezug, und gleichermassen beurteilen Gerichte in anderen Ländern Sachverhalte mit Bezug zur Schweiz. Angesichts unseres Alltags ist dies selbstverständlich.
Keine imperialen Gerichte– kein «imperiales» Recht:
Der KVI geht es darum, Schweizer Konzerne mit wirtschaftlichen Aktivitäten im Ausland zu verantwortungsvollem Handeln zu verpflichten. Dabei richtet sich die Zuständigkeit Schweizer Gerichte nach bereits geltendem Schweizer Recht. Jeder Staat, so auch die Schweiz, bestimmt die örtliche, sachliche und zeitliche Zuständigkeit seiner Gerichte selbst. Mit dem Lugano-Übereinkommen, das die Schweiz 2007 abschloss, bestimmte unser Land dass seine Gerichte Klagen gegen Konzerne mit ‘satzungsmässigem Sitz’, ‘Hauptverwaltung’ oder ‘Hauptniederlassung’ in der Schweiz behandeln (Art. 2 Ziff. 1 i. V. m. Art. 60 Ziff. 1 LugÜ). Des Weiteren macht auch das Recht, das die Gerichte anwenden, die Schweiz nicht zur einer «imperialistischen» Weltpolizistin. Denn die KVI bestimmt, dass unsere Zivilgerichte die Streitigkeiten basierend auf international breit abgestützten und weit anerkannten Menschenrechts- und Umweltstandards entscheiden sollten. Lest dazu «Faktencheck # 1». Die Schweiz würde nicht ihre eigenen, sondern gemeinsame Standards einfordern.
Es ist also relativ einfach: Die KVI betrifft Schweizer Konzerne mit satzungsmässigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz und damit ergibt sich die Zuständigkeit Schweizer Gerichte für Sachverhalte, in welche diese Konzerne als Beklagte massgeblich involviert sind. Im Übrigen ist diese Regelung, wie die Schweiz sie kennt, nicht einzigartig sondern entspricht dem internationalen Privatrecht anderer Rechtsordnungen, so beispielsweise in der für alle EU Staaten geltenden Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I). Gemäss dem geltenden Schweizer Recht haften Schweizer Unternehmen zum Beispiel auch heute schon, wenn sie im Ausland in Korruption verwickelt sind und gleichzeitig fallen ausländische Unternehmen in den Geltungsbereich des Kartellgesetzes, wenn sich ihre Aktivitäten auf den Schweizer Markt auswirken, auch wenn diese im Ausland veranlasst wurden.
Die KVI ist das Gegenteil von «kolonialistisch»
Die KVI räumt Menschen, deren Menschenrechte durch Schweizer Konzerne verletzt wurden, die Möglichkeit ein, diese Konzerne an ihrem Sitz zur Verantwortung zu ziehen. Sie ist daher gerade das Gegenteil von kolonial. Der Vorwurf des Rechtsimperalismus ist Ausdruck eines völlig verdrehten Verständnisses von (Rechts-)imperialismus und davon, welche historische sowie aktuelle Rolle westliche Konzerne und Wirtschaftsinteressen darin spielen.
Konzerne mit Sitz in der Schweiz geniessen dank der über 100 bilateralen und multilateralen Handels- und Investitionsschutzabkommen einen erleichterten Zugang zu ausländischen Märkten. Diese Abkommen schützen Schweizer Auslandsinvestitionen und Schweizer Konzerne können ausländische Staaten vor internationalen Schiedsgerichten verklagen. Streitigkeiten im Kontext internationaler Wirtschaftsbeziehungen unterliegen also sowieso verschiedenen Gerichtsständen, nationalen sowie internationalen. Und Konzerne wählen sich schon heute ihren Gerichtsstand aus. Um gleich lange Spiesse , das sogenannte «level playing field», in der globalen Wirtschaft herzustellen, sollten dies auch Geschädigte tun können. Die KVI bietet genau diese Möglichkeit.
Fazit
Schweizer Gerichte beurteilen schon heute internationale Sachverhalte, bei welchen es um Unternehmen mit Sitz in der Schweiz geht. Die KVI ändert daran nichts.