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Faktencheck #2: “Die Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) führt zu einer absurden Umkehr der Beweislast.”

FALSCH!

Melchior Lengsfeld, Geschäftsleitung Helvetas

"Wieso soll eine [ausländische] Klage in der Schweiz, die 10’000 Kilometer entfernt ist, einfacher sein, als eine Klage in einem funktionierenden Rechtsrahmen, welchen man vor seiner Türe hat?"

Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter Helvetas
Dr. Gabriel Rumo, Swissholdings

"Weil das Verschulden [resp. die Beweislast dafür] in der Schweiz umgekehrt wird im Verhältnis zur normalen Haftung."

Dr. Gabriel Rumo, Direktor Swissholdings

Quelle: srf.ch

1. Die Frage des Verschuldens spielt bei der KVI keine Rolle.

Grundlage für die gemäss Initiativtext vorgesehene Konzernhaftung bildet die Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 OR und damit auch die darin vorgesehene Beweislastverteilung. Bei Art. 55 OR handelt es sich um eine sogenannte milde Kausalhaftung. Der Geschäftsherr wird aufgrund seiner engen Beziehung zum Schadensvorfall haftpflichtig, wobei die Schuldfrage keine Rolle spielt. Dasselbe gilt nun für die Konzernhaftung der KVI, welche den Haftungsmechanismus und die Beweislastverteilung von Art. 55 OR übernimmt. Analog zu Art. 55 OR verlangt die Konzernhaftung weder ein Verschulden des Konzerns noch der geschädigten Person. Dementsprechend kann sie auch keine Unschuldsvermutung (ein Konzept, das übrigens aus dem Strafrecht und nicht dem Haftpflichtrecht stammt) in eine Schuldvermutung umdrehen.

2. Die Klägerin muss alle vier Haftungsvoraussetzungen beweisen.

Auch bei einer Annahme der KVI gilt weiterhin, dass die Klägerin – sprich die geschädigte Person – vor Gericht alle vier Haftungsvoraussetzungen beweisen muss:

(1) das Bestehen eines Kontrollverhältnisses;

(2) das Vorliegen eines Schadens;

(3) eine widerrechtliche Handlung des Konzerns (durch Verletzung eines international anerkannten Mindeststandards im Bereich Menschenrechte oder Umwelt); und

(4) den Kausalzusammenhang zwischen dieser Handlung und dem Schaden.

3. Nimmt ein Konzern seine Sorgfaltspflichten wahr, haftet er nicht.

Falls der Klägerin all diese Beweise gelingen sollten, kann sich der beklagte Konzern immer noch von der Haftung befreien. Deshalb spricht man hier von einer milden Kausalhaftung (im Gegensatz zu einer scharfen Kausalhaftung, bei der keine Haftungsbefreiung möglich ist). Bei der KVI hat der Konzern die Möglichkeit vor Gericht zu beweisen, dass er seiner Sorgfaltspflicht zur Einhaltung von international anerkannten Mindeststandards nachgekommen ist. Um eine Haftung zu vermeiden, muss ein Konzern also nicht sicherstellen, dass es im Ergebnis keinen Schaden gegeben hat. Er muss nur belegen, dass er seinen eigenen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist. Der Konzern haftet nur, wenn er sich sorgfaltspflichtwidrig verhält.

4. Nur der Konzern kann die Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht belegen.

Den Beweis für die sorgfältige Geschäftsführung kann in den allermeisten Fällen nur der Konzern leisten. Der geschädigten Person wäre es kaum je möglich zu beweisen, dass der Konzern in seinen internen Geschäftsprozessen Sorgfaltspflichten verletzt hat. Denn die Beweisdokumente dafür liegen in der Regel beim Unternehmen selber, wie z.B. interne Weisungen, Sitzungsprotokolle oder Trainingsmaterialien. Würde man den Beweis für die Verletzung von Sorgfaltspflichten der geschädigten Person auferlegen, wäre dies entweder mangels Zugang zu internen Informationen unmöglich oder man müsste weitgehende Offenlegungspflichten über interne Prozesse für den Konzern festlegen. Beides ist nicht erwünscht. Der Ansatz des Sorgfaltsnachweises des Konzerns orientiert sich an den UNO-Leitlinien und bleibt die beste Lösung für den Haftungsprozess.

5. Die Beweislast bleibt so verteilt, wie sie es immer schon war.

Fazit: Die von der KVI vorgesehene Konzernhaftung übernimmt die ganz normale, mit der Geschäftsherrenhaftung in Art. 55 OR seit jeher bestehende Beweislastverteilung. Auch wenn ein Schaden vorliegt, räumt sie dem Konzern die Möglichkeit ein, sich über den Sorgfaltsnachweis von der Haftung zu befreien. Der Konzern muss also nicht sicherstellen, dass kein Schaden entstanden ist, sondern nur, dass er in seiner eigenen Geschäftstätigkeit sorgfältig war. Die Frage nach dem Verschulden wird dabei nicht gestellt. Mit dem Ausbau der sogenannten Geschäftsherrenhaftung greift die KVI auf ein altbewährtes Konzept des Schweizer Zivilrechts zurück und schafft so Rechtssicherheit für die Wirtschaft.