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Eine Brandmauer für eine offene Gesellschaft und eine starke Demokratie

Klare Kante gegen rechtsextreme Ideen

Über eine Million Menschen gehen derzeit in Deutschland auf die Strasse. Für die Demokratie, gegen den erstarkenden Rechtsextremismus und gegen die AfD. Diese klare Haltung für eine starke Demokratie ist gerade jetzt wegweisend. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen - und unsere liberalen Abwehrkräfte jetzt stärken.

Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer trafen sich im November in Potsdam um einen - wie die Konferenz-Teilnehmenden es selbst nannten - “Masterplan” über "Remigration" zu entwerfen. Um also die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland zu planen. Das Recherche-Kollektiv Corrective berichtete darüber. Die Reaktion: Eine überwältigende Anzahl an Menschen gehen derzeit in über 50 Deutschen Städten auf die Strasse. “Gegen Rechts”, “Gegen Hass” und “Für die Demokratie”. Die genau Anzahl ist schwierig beziffern. Die Veranstalter*innen der Proteste von letztem Wochenende schätzen, dass es bundesweit über 1.4 Millionen Menschen waren. 

Es ist ein starkes und deutliches Zeichen aus der Mitte der Gesellschaft, getragen von Parteien, Organisationen und vor allem der Zivilgesellschaft. “Deutschland geht auf die Strasse” titelte der Tages-Anzeiger. Es ist ein lautes und sichtbares Aufbäumen gegen braune Konzepte, die immer unverhohlener in die Mitte der Gesellschaft zu tragen versucht werden.

“Remigration” bedeutet für die Teilnehmenden dieser Konferenz, wie dem österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner, Ausländer*innen, Staatsbürger*innen “die nicht assimiliert sind”, mit Migrationshintergrund oder auch solche ohne Migrationshintergrund (die sich etwa 2015 für Geflüchtete engagiert haben) sollen ausgebürgert und in einen “Musterstaat” nach Nordafrika deportiert werden. 

Nicht zufällig erinnert dieser Plan an eine alte Idee: Der NS-Staat erliess schon im Juli 1933 ein “Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft”. Und 1940 planten die Nationalsozialisten vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. 

Wie schon in den 30er-Jahren leiden Rechtsextreme an Machbarkeitsfantasien. Der grosse Plan wirkt auf dem Reissbrett zwar durchdacht, unterwirft die betroffenen Menschen aber in der praktisch schwierigen Umsetzung rasch unmenschlichste Bedingungen. So hat es schon einmal angefangen. Ausbürgerungen und Deportationen gehören zu den zentralen Verfolgungsinstrumenten des totalitären Staats.

Die Enthüllungen zum Treffen und die Diskussion zur sogenannten “Remigration” haben uns sehr nachdenklich gemacht. Es ist schwierig, dieses Gefühl zu beschreiben, weil man es eigentlich ganz weit weg von sich haben will und sich immer sagt: Das wird schon. Hier passiert so etwas nicht. 

Doch das Problem ist, dass es jeden Tag ein bisschen mehr passiert. Dass rechtsextreme Forderungen durch Wiederholung und Verharmlosung normalisiert werden und versucht wird, solche Konzepte bis in die bürgerliche Mitte salonfähig zu machen. Und dass dies auch in der Schweiz nicht erfolglos ist. 

So schrieb ein Journalist der NZZ nach den Enthüllungen einen Artikel mit dem Titel “Remigration? Ja, aber richtig: Wer illegale Migranten nicht ausschafft, schafft sich selbst ab” - und obwohl er sich klar vom Potsdam-Treffen distanziert, normalisiert er so den Begriff. Ein Begriff, der laut der Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR “mit dieser Bedeutung in diesem Kontext” als klar rassistisch einzuordnen ist. Unser Vorstandsmitglied Stefan Schlegel hat den Artikel in der NZZ auf X analysiert. Gefreut über den Artikel auf Telegram hat sich auch Sellner: Das sei der “erste Schritt zu einer seriösen und offenen Debatte über das Thema”. 

Die SVP übrigens, hat ihre erste Forderung zur Ausbürgerung von Staatsbürger*innen bereits 2008 im Parlament eingebracht und hat sie im Wahljahr 2023 wieder gestellt. Die Wahlsiegerin wird nicht von ungefähr von rechten Parteien in Europa bewundert und nachgeahmt – insbesondere von der AfD in Deutschland.

Es ist diese Normalisierung, die rechtsextreme Ideen derzeit so gefährlich für die moderne Demokratie werden lassen. Die Übernahme von Begriffen, der Transfer von Ideen, die Adaption der Ideen in ein vermeintlich harmloseres Gewand: Sie lassen uns an Dinge gewöhnen, an die wir uns nicht gewöhnen sollten.

Mit jedem Wahlsieg der Schweizer Rechtspopulisten schwindet die Hürde, über solche gefährlichen Ideen laut nachzudenken. In Deutschland gehen derzeit so viele Menschen wie seit Jahrzehnten nicht mehr auf die Strassen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Doch was die Demokratie nun braucht, ist eine Brandmauer. Eine Mauer, die das Übergreifen des Feuers von einem Gebäude zu einem anderen verhindern soll. Eine Mauer, die der Normalisierung rechtsextremer Positionen in die Mitte entgegentritt. 

Diese Mauer sollte gebildet werden durch zivilgesellschaftliches Engagement für eine offene Gesellschaft. Durch eine klare Abgrenzung bürgerlicher Parteien und Politiker*innen. Durch ein entschiedenes Eintreten und Entgegentreten liberaler Kräfte. Hier in der Schweiz sollten wir ebenfalls beginnen, unsere liberalen Abwehrkräfte zu stärken. Die erstarkten Rechte in der Schweiz und Europa und die Normalisierung von gefährlichen Rezepten aus den 1930ern zeigen auf: Die Zeit des Schöntrinkens ist vorbei.



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