Operation Libero Pink

«Dass es Operation Libero noch gibt, ist eine zwiespältige Nachricht»

10 Jahre nach erstem Libero-Treffen

Heute vor zehn Jahren fanden sich im Viadukt in Zürich rund 50 Menschen zusammen – es war die Geburtsstunde der Operation Libero. Gründungsmitglied Nicolas Zahn schaut auf die Wut und den Tatendrang von damals zurück. Wie er zahllose freie Abende und Wochenenden “opferte”, um den Nationalromantikern eine Gegenidee entgegenzustellen. Und wieso es für ihn eine zwiespältige Nachricht ist, dass es Libero auch 10 Jahre später noch gibt.

Ich war gerade auf dem Weg in die Berge, doch statt aus dem Fenster starrte ich auf den Bildschirm meines Smartphones in Erwartung der Abstimmungsresultate. Erst als ich bereits angekommen war, wurde klar: Die Masseneinwanderungsinitiative wurde entgegen den Erwartungen, aber wie befürchtet, knapp angenommen. Ernüchterung, Unverständnis, ein Schuss Gleichgültigkeit. Ist es wirklich so schlimm oder ist es wie bei der unsäglichen Minarett-Initiative und anderen Blüten des immer gehässiger geführten Politzirkus, wo man irgendwie doch noch die Kurve kriegt?

Dann Wut: Erneut eine Abstimmung, bei der es um “Signale” gegen “die da oben” zu gehen schien, wenn man der Berichterstattung folgte. Erneut “ein Zeichen” setzen, doch wofür oder wogegen genau? Und erneut ein Abstimmungskampf, auf dem die eine Seite mit schwer fassbaren Gefühlen und die andere mit kalten Fakten und Parolen, die man so schon zigmal gehört hatte, operierte. Und schliesslich Tatendrang und die Erkenntnis: Es muss sich etwas ändern!

Die Erkenntnis: Auch viele andere waren um die Schweiz besorgt

Die Nachricht des Abstimmungsergebnisses war gerade so ins Bewusstsein gesickert, als sich die ersten Mails in der Inbox fanden mit Aufrufen zum Brainstorming. Schnell war klar, dass viele andere ebenfalls um die Schweiz besorgt waren. Eine Schweiz, die sich immer wieder in Verneinung der Realität für immer extremere Initiativen aussprach und somit nicht nur an den Ästen ihres Erfolges sägte, sondern auch eine gesellschaftliche und politische Vision anzustreben schien, die auf Ausgrenzung und Rückschritt hinauszulaufen schien. Oder im Minimum auf die Konservierung einer so gar nie existierenden Vorstellung des Freilichtmuseums unter der Käseglocke.

Zeit, Gegensteuer zu geben. Denn der Abstimmungskampf der MEI hatte eines allzu deutlich gemacht: Auf die bisherige Verteidigung von Verbänden bis zu Parteien konnten wir uns nicht verlassen.

Nicolas Zahn
Nicolas Zahn, Gründungsmitglied

Sie hatten kein Rezept gefunden oder finden wollen gegen den Geist, der nicht nur der MEI, sondern auch vielen anderen politischen Anliegen davor und danach innewohnt.

Die Energie: Die schlechte Laune wich bald der Hoffnung

Und so tauschte ich die Bibliothek und den Gemeinschaftsraum des Studentenwohnheims in Genf – ich war gerade daran, meine Masterarbeit abzuschliessen – Tage später mehrmals gegen Sitzungen und Workshops in Co-Working-Spaces und Veranstaltungsräumen in Zürich. Das erste Treffen war heute vor zehn Jahren im Viadukt in Zürich, als der Arbeitstitel Operation Libero entstand. Gerade mal fünf Tage waren seit dem MEI-Ja vergangen.

Angefangen mit einem von Frisch inspirierten Fragebogen zum Zustand der Schweiz, über verschiedene Brainstormings, was es denn nun genau brauchen würde, hin zum Entwurf der Statuten und der Gründungsversammlung von Operation Libero. Die Treffen und der Austausch mit anderen Personen aus verschiedenen Backgrounds und Generationen setzte enorm viel Energie frei und ersetzte die schlechte Laune des Abstimmungssonntags mit Optimismus und Hoffnung. An freien Abenden und zahllosen Wochenenden nahm die Idee des Gegenentwurfs zu den Nationalromantikern Form an. Mit der Ecopop-Initiative lauerte auch schon die erste Prüfung am Horizont, welche nach der Lancierung der Operation Libero erfolgreich bestanden wurde, nur um seither immer wieder geprüft zu werden.

Die zwiespältige Nachricht: Zehn Jahre Operation Libero

Als wir nach der erfolgreichen Lancierung oft gefragt wurden, ob jetzt aus uns eine Partei werde, oder ob es uns in sechs Monaten noch gäbe, war die ehrliche Antwort: keine Ahnung. Bereits in unserem Namen ist das Selbstverständnis angelegt, dass wir bereit sind, um dann einzugreifen, wenn es nötig ist, um die Schweiz vor Rückschritten und der Abkehr einer liberalen Gesellschaft zu schützen. Wir wollen uns aber nicht auf die Rolle der Verteidigungslinie beschränken, sondern auch mal einen liberalen Pass für den Angriff und für den Fortschritt lancieren.

Dass es uns nun schon 10 Jahre gibt, ist deshalb für mich eine etwas zwiespältige Nachricht.

Einerseits ist es grossartig zu sehen, dass wir ständig neue Leute gewinnen können, um ihre Energie bei uns zu investieren. Andererseits hätte sich ein Teil von mir gewünscht, dass es uns heute eigentlich nicht mehr braucht.

Nicolas Zahn, Gründungsmitglied

Doch nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit steht das Konzept der liberalen Demokratie enorm unter Druck. Nicht nur diverse Initiativen und Abstimmungen, sondern eine allgemein negative Stimmung gepaart mit schlechter Performance der existierenden Institutionen und Angriffen auf diese Institutionen – von den Medien hin zum Rechtsstaat – lassen mich noch besorgter zurück als der MEI-Abstimmungssonntag.

Die Realität: Der nationalromantische Geist ist aus der Flasche

Obwohl es gelang, dem nationalromantischen Geist einige Niederlagen zuzufügen seit der MEI, so ist dieser Geist weiterhin aus der Flasche und lässt sich wohl auch nicht darin zurückdrängen. Umso wichtiger ist das kontinuierliche Engagement der liberalen Kräfte für die offene Gesellschaft. Die einfachen Antworten und die auf die Vergangenheit gerichteten Vorschläge und idealisierten Geschichten mögen in einer von Krisen geplagten Welt eine Verlockung darstellen, doch man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Die Rezepte der Nationalromantiker helfen nur ihnen. Folgen wir nicht den Problembewirtschaftern, sondern packen wir’s selber an!


Verfasser: Nicolas Zahn, Gründungsmitglied und ehemaliges Vorstandsmitglied

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